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Ängste, Zwänge und Tics bei hochsensitiven Kindern

Meine jahrelange Erfahrung in der psychotherapeutischen Praxis sowie auch in der Elternberatung und in der Begleitung meiner eigenen Kinder hat mir gezeigt, wie häufig insbesondere hochsensitive Kinder unter starken Ängsten, Zwängen und Tics leiden. Mit diesem Beitrag möchte ich euch näher darüber informieren.


Erst einmal zur Begriffsklärung:


Ängste: Ängste gehören zur normalen Entwicklung bei Kindern. Angst ist eine der sechs Basisemotionen (Freude, Trauer, Wut, Angst, Erstaunen und Ekel). Angst ist eine emotionale Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung und vollkommen natürlich. Problematisch wird es, wenn sie übermäßig stark ist und nicht reguliert werden kann.


Zwänge (Zwangsstörungen): Man unterscheidet zwischen Zwangsgedanken (z.B. „Ich bin verseucht“ oder „Wenn ich nicht dreimal hin- und hergehe, passiert etwas Schlimmes“) und Zwangshandlungen (z.B. ständiges Händewaschen), meistens tritt beides gemeinsam auf. Mit der Zwangshandlung wird ein innerer Anspannungszustand gelindert und die dahinterliegende Angst oder Unruhe reduziert (also z.B. die Angst vorm Verseucht-Werden durchs ständige Händewaschen). Für gesunde Erwachsene wirken kindliche Zwangshandlungen oft sinnlos oder übertrieben, für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind sie jedoch ernst und belastend.

Merke außerdem: Zwänge dienen IMMER dazu, Ängste unter Kontrolle zu bekommen.


Tics: Tics sind plötzliche, schnelle und unwillkürliche Bewegungen oder Lautäußerungen (z. B. Augenzucken, Räuspern, Mund aufreißen, …). Kurzfristig sind sie meistens unterdrückbar, was aber zu einem hohen inneren Druck führt und sich die Tics dann oft schubartig entladen.


Gibt es typische Ursachen oder Auslöser, warum ein (hochsensitives) Kind extreme Ängste, Zwänge oder Tics entwickelt?

Ja. Zu einem Teil besteht eine genetische Veranlagung (besonders bei Tics und Zwängen), zum anderen Teil gibt es Risikofaktoren wie Stress, belastende oder traumatische Erlebnisse, Überforderung, hoher Leistungsdruck, Unsicherheiten im sozialen Umfeld (z. B. im Kindergarten oder in der Schule), Modelllernen (Kinder übernehmen Verhaltensweisen durch Nachahmung, also z. B. das ängstliche Verhalten der Eltern in bestimmten Situationen, das war insbesondere - während der Covid-Epidemie eindeutig zu beobachten!) und vereinzelt auch neurobiologische Ursachen (v. a. bei Tics, z.B. Tourette-Syndrom).


In welchem Alter treten Ängste und Tics bei (hochsensitiven) Kindern besonders häufig auf?

Ängste: In bestimmten Entwicklungsphasen sind gewisse Ängste ganz normal, im Kleinkindalter z.B. Trennungsangst oder Angst im Dunkeln, später Fantasieängste (z.B. vor Monstern oder Einbrechern), im Schul- und Jugendalter oft Leistungsängste oder soziale Ängste. Manchmal tritt auch eine generalisierte Angststörung auf – also Angst nicht vor etwas Spezifischem, sondern ein grundlegendes Angstgefühl vor allem.

Basierend auf meiner jahrelangen Erfahrung in der therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vermute ich, dass hochsensitive Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer tiefgehenden Reflexion und ihrer starken Wahrnehmung von Gefühlen tatsächlich häufiger und über die typischen Altersphasen hinaus persistierende Ängste haben.

Tics treten oft erstmalig im Vorschul- oder Volksschulalter auf, sie sind meistens vorübergehend (man nennt sie transiente Tics). Auch hier würde ich aufgrund meiner Beobachtungen meinen, dass Tics bei hochsensitiven Kindern oft stärker und anhaltender auftreten – vor allem in Phasen großer Veränderung oder Anspannung.


Wann sollte ich als Elternteil professionelle Hilfe aufsuchen?

  • Die Symptome halten mehrere Wochen/Monate an und/oder verstärken sich.

  • Leidensdruck: Das Kind fühlt sich selbst belastet oder du fühlst dich als Elternteil überfordert und hilflos.

  • Einschränkungen im Alltag: z.B. die Familienroutine in der Früh ist durch Zwangsrituale des Kindes behindert oder es gibt starke Einschränkungen im Alltag durch extreme Ängste des Kindes.

  • Vermeidungsverhalten: Bestimmte Situationen werden komplett gemieden.


Wie kann ich als Elternteil oder als pädagogische Fachkraft ein hochsensitives Kind mit extremen Ängsten oder Tics selbst bestmöglich unterstützen?

=> Ruhig bleiben und Verständnis zeigen (- auch wenn das Verhalten für die ganze Familie belastend ist!)

=> Nicht dramatisieren!

=> Keine ständige Korrektur, v. a. bei Tics

=> Konsequente, liebevolle Grenzen setzen (z.B. „Wir haben zweimal nachgeschaut, im Badezimmer ist kein Monster. Wir bleiben jetzt im Bett!“ Das gibt dem hochsensitiven Kind Orientierung - v.a. auch, wenn eigene Grenzen oder Familiengrenzen überschritten werden)

=> Alltagsroutinen einhalten (z.B. die Eltern verlassen das Haus wie immer, auch bei ev. Trennungsängsten. Das gibt dem hochsensitiven Kind Klarheit und letztlich auch Sicherheit!)  

=> Entspannung (entweder konkret wie mit Fantasiereisen oder Atemtechniken; aber auch entspannende Hobbys wie Basteln, Lego bauen, etc. können helfen)

=> Ausreichend Bewegung


Soll ich als Elternteil oder als pädagogische Fachkraft mit dem hochsensitiven Kind über seine starken Ängste oder Tics reden – wenn ja, wie?

Meiner Erfahrung nach denken hochsensitive Kinder sowieso ständig über sich selbst und andere nach und meistens sind sie sich ihrer starken Gefühle oder auch ihrer eventuell seltsamen Verhaltensweisen sehr bewusst. Wenn du das Kind darauf ansprechen möchtest, kannst du das gerne machen, aber gehe behutsam dabei vor. Zum Beispiel könntest du eine interessierte und wertfreie Frage stellen („Ist dir auch schon aufgefallen, dass du oft...?“). Du kannst dem hochsensitiven Kind auch erzählen, dass viele Kinder Ängste oder Tics haben und dass es Hilfe gibt. Sprich vor anderen nur im Einverständnis des hochsensitiven Kindes darüber und wenn, auch da möglichst sachlich und ohne zu dramatisieren.


Wie kann ich ein hochsensitives Kind grundsätzlich stärken, damit es besser mit Unsicherheit und Stress umgehen kann?

=> Sei ein positives Vorbild im Umgang mit Stress und Konflikten und zeige eine zuversichtliche Grundhaltung (nach dem Motto: „Es gibt für alles eine Lösung.“)

=> Stärke das Selbstvertrauen des hochsensitiven Kindes!

=> Plane ausreichend Zeit für freies Spiel und Entspannung ein!


Und zuletzt: Wenn du dir tatsächlich große Sorgen um (d)ein hochsensitives Kind mit starken Ängsten, Tics oder Zwängen machst, denke daran: Es ist ein Zeichen von Stärke, sich Hilfe zu suchen, wenn man sie braucht.

<<< Hier findest Du die aktuellen Termine. 

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